Geschichte & Geschichtchen

Die ältesten fossilen Bohrwürmer sind über 60 Millionen Jahre alt, sie waren also schon lange da, bevor die Menschen mit hölzernen Booten oder Stegen an die Küsten kamen. So ist schon von den alten Ägyptern vor 4.000 Jahren überliefert, daß sie ihren Schiffen Schutzanstriche geben mußten. Ovid berichtet um Christi Geburt von Schäden an römischen Galeeren. Kolumbus verlor vier Korvetten an die Bohrwürmer der Neuen Welt und die Spanische Armada hätte womöglich England erreicht, wäre sie nicht während der langen Liegezeit in Spanien, Portugal und Frankreich angenagt worden (übrigens eine These, die von den Engländern heftigst dementiert wird).

 

Auch die Meuterer auf der Bounty hatten mit mehr als nur ihrem Kapitän zu kämpfen:

 

"Der Kutter ist morsch und wird niemals das Land erreichen." Ich wußte, dass dem so war. Der Kutter war so wurmig und leck, dass er kaum zu verwenden war. ( ...) "Die Fahrt im Kutter würde für Kapitän Bligh und alle, die mit ihm gehen dürfen, fast sicheren Tod bedeuten."

(aus: Die Meuterei auf der Bounty)

 

Bemerkenswert ist auch, dass der Nachbau der Bounty, der für den Spielfilm von 1962 gebaut wurde, auf seiner anschließenden Promotion-Fahrt ebenfalls mit Schiffsbohrwürmern zu kämpfen hatte.

 

"Holland in Not"

 

hieß es 1731, als Teredo navalis die hölzernen Deichtore zerfressen hatte und bei einer Sturmflut die Tore brachen. Damals begann sich auch die Wissenschaft intensiver mit den Tieren zu befassen. Aber schon 73 Jahre vorher hatte ein englischer Naturgelehrter erkannt, dass es nicht Würmer, sondern Muscheln waren, die diese Schäden anrichteten.

 

Seit 1800 sind Schäden in Cuxhaven überliefert, eine viel größere Katastrophe trat aber in der San Francisco Bay ein. Dort wurden von 1919 bis 1921 Schäden in Höhe von umgerechnet über 900 Millionen US$ an den hölzernen Kaianlagen angerichtet. Ganze Güterzüge stürzten mit den morschen Holzstegen ins Meer...

Ähnlich erging es den Russen im Asowschen Meer in den 1960er Jahren. Nachdem dort der Verlauf des Don geändert und dessen Mündungsgebiet deutlich salziger wurde, konnten sich Schiffbohrwürmer ansiedeln und gewaltige Schäden verursachen. Auch in New York City wurde die Wasserqualität geändert. Nachdem in der 70er Jahren der Hudson River sauberer wurde, konnten Bohrmuscheln weiter vordringen und bisher als sicher geltende Pieranlagen und Stege erreichen: Kostenpunkt ca. 100 Mio. US$! Über die Teredo-"Erfolgsgeschichte" in der Ostsee berichte ich auf einer eigenen Seite.

 

 

Und was hat der Bohrwurm je für uns getan?

 

Natürlich hat Teredo einen wichtigen Platz im Ökosystem. Da Holz im Meerwasser extrem langsam verrottet (also von Pilzen und Bakterien umgesetzt wird), braucht es Bohrwürmer und -asseln, um dieses Material aufzuarbeiten. Ansonsten würden sich in den flachen Küstenmeeren die Baumstämme schon bis zur Oberfläche stapeln. Segelsport wäre nur mit Kettensäge möglich ;).

 

Man kann Teredos auch essen (u.a. als Tamilok auf den Philippinen), und sogar antibakterielle Wirkung wird ihnen nachgesagt. Auch die Fähigkeit ihrer Symbionten, Cellulose aufzuschließen, interessiert die Molekularbiologen. Vielleicht hilft das eines Tages, unsere Energieprobleme zu lösen?

 

Foto G. Schriever, mit frndl. Genehmigung

Außerdem hat der Bohrwurm auch den "Schild-Tunnel-Bohrer" erfunden, der schon 1818 von Sir Marc Isambard Brunel kopiert und zum Patent angemeldet wurde. Er (Brunel, nicht Teredo) bohrte den ersten Tunnel unter der Themse und nach seinem Muster wurden bis heute viele weitere gebaut. Auch TRUDE (Tief Runter Unter Die Elbe) ist ein Schildtunnelbohrer. Wenn wir also vor dem Elbtunnel im Stau stehen, ist auch daran der Bohrwurm schuld.